Inventur | written in German
Das Gedicht von Guenter Eich gilt symbolisch als Inbegriff der Stunde Null — Neubeginn in Deutschland nach der totalen Vernichtung durch die Nazis und den von ihnen sinnlos begonnenen totalen 2. Weltkrieg, in seinen verheerenden Auswirkungen noch schlimmer als der Erste Weltkrieg, in den viele deutsche Soldaten vaterlandsbesessen (yes — obsessed!!!) damals begeistert zogen, bis sie schnell durch die brutale Realitaet des Krieges eines Besseren belehrt wurden (dazu lesen: Im Westen Nichts Neues).
Inventur vorgelesen Mehr ab 1945 | Nach dem Zweiten Weltkrieg
Alles bereits Geschichte und deshalb der Jugend von heute nur schwer nahezubringen!
Mich interessiert hier und heute, was ich von meinem Vater JDB bewusst und auch eher unbewusst gelernt und quasi uebernommen habe, der vor ca 20 Jahren im Alter von 75 starb, also im September 2019 haette 95 werden koennen — zumal ich seinem Alter / Todestag selbst immer naeher ruecke: Meinen 70. Geburtstag — am 28 August 1949 geboren — habe ich hinter mir, angemessen mit Familie und Freunden gefeiert, und die Themen ZEIT und Vergaenglichkeit wie auch Tod und Sterben beschaeftigen mich mehr als vor 20 oder 30 Jahren, wie jeder ueber 50 weiss.
Mein Vater hat Zeit seines Lebens nichts wegwerfen koennen, sammelte jede rostige Schraube auf, selbst einen Nagel, wenn er ihn auf der Strasse fand oder im freien Feld und Gelaende: Kann ich noch gebrauchen! Jede Scherbe im Sand oder am Strand wurde sorgsam entfernt, koennte sich doch ein Kind oder ein Mensch/Tier schwer verletzen, wurde die Gefahr nicht erkannt! Kopfschuettelnd nahm er wahr, dass Jugendliche Flaschen zertruemmert hatten und die Glasscherben oder Flaschenhaelse gefaehrlich und fast verborgen aus dem Sand ragten. Kein Papierkorb oder gar Besen mit Schaufel waren ihm zu weit weg, um diese Reste des Uebermuts zu entfernen, und seine Verantwortung ging soweit, dass ich ihn direkt darauf ansprach, auch als Kind: Jemand koennte sich verletzen, schau mal, wie gefaehrlich und scharf diese Kante hier ist! Ich fragte nicht gross nach, uebernahm das schlicht und einfach von meinem Vater, Lehrer und Schulmeister, der er war. Bewusst und auch unbewusst! In den ersten vier Schuljahren war mein Vater auch mein Lehrer. Es gab in dem Dorf keinen weiteren Lehrer. Ich erinnere mich genau an diese aussergewoehnliche Schul-Situation und nahm sie hin wie sie war: Ich war eben der Sohn des Lehrers — nicht gerade angenehm, aber zu ertragen! Heute wuerde man sagen: Vier Jahre extremes Mobbing! Klar habe ich auch gelitten, aber nicht immer … Mein Vater, so schien mir jedenfalls, war mit mir besonders streng! Sehr viel strenger als mit allen anderen Kindern! Den Vorwurf, er wuerde mich vorziehen oder besonders behandeln, versuchte er um jeden Preis zu vermeiden! Oft wurde meine Meldung eiskalt ignoriert. Und es gab damals natuerlich Pruegelstrafe in der Schule, und zwar jede Menge! Ohrfeigen fast taeglich, auch an der Tafel vor allen, wenn es nicht so glatt lief! Ich fand das schrecklich, war aber selbst nicht allzu oft betroffen! Mir taten besonders die Maedchen leid, 15 oder 16 und sie wussten einfach nicht weiter, verstummten an der Tafel … die Jungs waren eher cool, nahmen Pruegelstrafe hin wie ein Gottesgericht! Ist eben so! Oft fand ich sogar, sie seien schuldig und hatten das auch verdient!
Nach fuenf Jahren jedenfalls die Befreiung: Das Gymnasium in Itzehoe, Kaiser-Karl-Schule, ich hatte in der Sexta ploetzlich zwoelf verschiedene Lehrer, und jeder war anders, alle Maenner damals (1960).
Damals (ab 1960) war ich im Dorf (Huje) bei Itzehoe, 12 km von der Kreisstadt entfernt, die einzige Person, die zum Gymnasium ging!
Ich begriff das als Auszeichnung, hatte ich doch die schwierige Aufnahmepruefung bestanden, also verdient!
Auch als Lehrer im Gymnasium erntete ich oft erstaunte Blicke oder Rufe oder Nachfragen von Schuelerinnen und Schuelern, auch Kolleginnen und Kollegen: Ob ich da nicht etwas weit gehe, das sei doch nicht mein Problem, nicht meine Verantwortung, wenn ich bewusst oder auch unbewusst diese Tradition meines Vaters fortsetzte! Mich stoerte jede Verantwortungslosigkeit, jede Verschwendung, selbst die von Wasser und Licht und Elekrizitaet und Lebensmitteln, was viele meiner Mitmenschen reichlich uebertrieben fanden. Auch meine Frau starrt mich gelegentlich erstaunt an: Are you ok?
Heute im Zeichen von Nachhaltigkeit und Klimawandel wird mir immer bewusster, was meinen Vater damals so gestoert und beschaeftigt hat: Der verantwortungslose Umgang mit Lebensmitteln, Energie, Wasser, Licht und Muell, industrielle Landwirtschaft und dergleichen mehr hat ihn furchtbar gestoert und genervt und auch beunruhigt. Wie kann das sein? Warum sind Menschen so? Warum sehen sie das nicht? Warum verhalten sie sich so nachlaessig? Warum diese Verschwendung?
Der Zorn von Greta Thunberg vor den Fuehrern der UN in New York ist mir also nicht nur allzu verstaendlich, er ist mir auch sympathisch!
Last not least: Wortlos — gelesen von Fritz Stavenhagen | gefunden auf seiner einzigartigen Webseite Deutsche Lyrik.
Auch Wortlover auf Youtube | Und dort gefunden den LINK — Lyrik der verbrannten Dichter
May 8, 1945, was ‘zero hour’ for Germany in multiple ways.
Adolf Hitler was merely ash among the rubble when World War II ended in Europe. The desolate aftermath was dubbed „zero hour“ by Germans – a more prescient term than they realized, for it also paved the way to rebirth.
Read more on Deutsche Welle about „Zero Hour“:
Originally published at http://bloecker.blog on September 24, 2019.